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28. April 2009

Tschuess China

Gespeichert unter: Weltreise 2009 — carsten_block @ 10:26

Liebe Blogleser,

schoene Gruesse aus dem voellig verregneten Quing Shui, 30km vor der kasachischen Grenze, wo ich heute einen unerwarteten aber wohlverdienten Ruhetag geniesse. Ich habe naemlich gestern die Tour de France Fahrer alt aussehen, lassen, die ca. 200km auf Rennraedern, guten Strassen, ohne Gepaeck und mit aus dem Auto gereichter Verpflegung absolvieren. Ich habe gestern 212km in 12,5 Stunden runtergespult und war erst um 21:30 Uhr am Ziel. Und es waren harte Kilometer. Die ersten 70km zum Einrollen waren flach, es war gottseidank wieder trocken und sogar sonnig. Das Pingpongwetter geht also weiter. Denn vorgestern abend folgte auf den Sandsturm ein formidabler Gewittersturm, zum Glueck war ich in einem Hotelzimmer. Und nach den 70km und lecker frischgbackenem Brot an einer Tankstelle, wo ich auch Wasser bunkerte, begann der ekelhafteste, gemeinste, furchtbarste aller Anstiege. 40km und 1800 Hoehenmeter alles geradeaus, ohne jede noch so kleine Kurve, ich konnte von unten schon den Scheitelpunkt sehen. Das ganze Tal stieg an und so hatte man entweder das Gefuehl, auf einer Ebene zu sein oder manchmal sah es sogar so aus, als ginge es bergab. Das ist echt zermuerbend. Erst waren es ca. 15km so um die 2-3 Prozent, doch dann kamen einige ziemlich steile Kilometer (ich schaetze fast 10 Prozent), danach wurde es wieder flacher. Echt super, fast vier Stunden auf einer geraden Strasse, wenn man das Ziel immer sieht. Da haette ich mir beinahe die Sinnfrage gestellt, doch konnte es gerade noch so vermeiden. Einzige Gesellschaft waren grasende Pferde, Kuehe, Schafe und interessiert dreinblickende Schaeferhunde. Einer folgte mir sogar fuer ein paar Kilometer, erst dachte ich, der wollte Streit, aber wahrscheinlich ging er nur einen befreundeten Schaeferhund eine Weide weiter besuchen.

Apropos Hunde. Nachdem ich meinen formidablen Bambusstock dummerweise irgendwo vergessen hatte, habe ich jetzt wieder aufgeruestet, ja sogar in moderneultramodernste Waffentechnik investiert. In Wusu habe ich auf dem Markt ein ca. 1m langes Nudelholz (einfach ein dickes Holzstueck) aus unfassbar hartem Holz gekauft. Ich glaue, das wird die Hunde noch effektiver fernhalten. Ich haette als Hund jedenfalls Respekt.

Naja, auch der Anstieg ging irgendwann zu Ende und oben erwartete mich (neben einsetzendem Gegenwind) ein formidabler Ausblick auf einen riesigen Gebirgssee (ca. 20km im Durchmesser) und ringsherum Grasland. Gluecklich ob des Ausblicks pedalierte ich weiter, bis der Radlergott wieder ene Gemeinheit fuer mich ausgeheckt hatte. Eben noch auf einer super Autobahn wurde es es jetzt unangenehm, hier wurde diese naemlich erst gebaut und wie immer in China heisst das: Zuerst die alte Strase kaputt machen, warum auch immer. Eigentlich wollte ich campen, doch es gab keinerlei Windschutz, also fuhr ich bis an das Ende des Sees, wo es Unterkuenfte in Form von Yurten geben sollte. Die 30km bei Gegenwind und schlechter Strasse waren hart, aber gegen 18:45 Uhr war ich an besagten Yurten. Die waeren sicher ganz schoen gewesen, wenn sie nun nicht direkt im Baugebiet der Autobahn waeren inklusive Tunnelbaustelle mit lauten Abluftkanaelen. Ausserdem traute ich irgendwie dem Weter nicht, bisher wechselte es fast jeden Tag.

Also beschloss ich, noch 56km weiter (alles Abfahrt) bis nach Quingshui zu fahren. Erst galt es noch ein kurzes Stueck bergauf vom See weg zu radeln udn dann traute ich meinen Augen kaum. Erstens, weil die Landschaft schlagartig von tundraartigem Grasland zu Schweizer Alpenpanorama wechselte und zweitens, weil hier die Chinesen ihrer Bauwut freien Lauf lassen. Das schoene enge Tal wird anscheinend mit einer Pipeline, einer Autobahn und einer Eisenbahnlinie inklusive Bruecken und Tunneln beglueckt. Das bedeutete auf der Abfahrt keine super Fahrbahn auf der man es rollen lassen kann, sondern Steine, Schlamm und Baustellenverkehr. Also brauchte ich weitere 2,5 Stunden bis ich voellig erledigt (schmerzende Haende und Beine) in Quing Shui ankam. Die Landschaft hatte wieder eine erstaunliche Wendung durchgemacht, aus den Schweizer Alpen kam ich direkt in die Toskana, mit sanften Huegeln und zypresessenaehnlichen Baeumen. Zum Glueck fand ich aber fuer unschlagbare 60 Yuan ein super Zimmer mit heisser Dusche und habe aber noch vor dem Duschen erstmal was gegessen, lecker gefuellte Teigtaschen. Und dachte ich beim Ankommen noch, dass ich locker noch 50km haette weiterfahren koennen, war ich nach dem Duschen so fertig, dass ich mich ueberwinden musste, um noch meine Zaehne zu putzen, ich bin kaum aus dem Bett gekommen, wo ich es mir vor dem Fernseher (es lief Snooker, herrlich zum Entspannen) bequem gemacht hatte.

Zu meinem Erstaunen war ich heute morgen aber trotzdem um 7:30 Uhr nach einem erholsamen Nachtschlaf (Jackie D. hasst dieses Wort) wach und nicht so fertig, wie ich gedacht hatte. Diese Erfahrung gibt mir die Gewissheit, dass mein naechstes Ziel nach dieser Reise, die Teilnahme bei Paris-Brest-Paris (1200km nonstop in hoechsten 88 Stunden), zu schaffen ist. Als ich aus dem Fenster sah, beglueckwuenschte ich mich zu meiner gestrigen Entscheidung, es regnete naemlch in Stroemen und hat bis jetzt (hier 17:00 Uhr) nicht aufeghoert. Schon gestern habe ich beschlossen, heute einen Ruhetag einzulegen, denn ich habe keine Eile, von Zharkent, der ersten Stadt in Kasachstan, sind es vier Tage nach Almaty, wo ich erst am Sonntag ankommen will, um am Montag mein Visum fuer Kirgisien zu erneuern und zur iranischen Botschaft will, um ebenfalls ein Visum zu beantragen. Ich habe bis jetzt eigentlich nicht viel gemacht, ausser zu essen, Klamotten zu waschen und meine Sachen neu zu packen. Morgen dann ein halber Ruhetag, zur Grenze sind es 30km, dort muss ich noch meinen Rest Yuan in Tenge tauschen und dann mal sehen, wie der Grenzuebertritt wird. Aber ich bekomme ja zwei Stunden geschenkt, in Ostkasachsten ist es zwei Stunden frueher als hier. Und in Zharkent heisst es, mehr Geld zu besorgen (dort gibt es einen Bankautomaten) und eine neue SIM-Karte fuer mein Handy. Heute abend werde ich es mir in einem Restaurant nochmal richtig gut gehen lassen, die zentralasiatische Kueche soll nicht so abwechslungsreich sein, wie die chinesische.

Also, dann das naechste mal aus Kasachstan

Euer Carsten

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